PROJEKTREPORTAGE

BUGA 2019, Heilbronn

Architektur 6H, Stuttgart

Von der Industriebrache zur Gartenstadt

  • Autor: Jochen Paul
  • Fotos: Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH, Architektur 6H

Wenn die Bundesgartenschau am 17. April 2019 ihre Tore öffnet, wird diese klassische Gartenausstellung zum ersten Mal überhaupt in ihrer über 65-jährigen Geschichte durch die Themen Stadtentwicklung und Wohnungsbau ergänzt. Mit der „Stadtausstellung“ wird zudem ein signifikanter Beitrag zur Finanzierung des Gesamtprojekts geleistet.

Welchen Stellenwert die drei in die BUGA integrierten Baufelder haben, macht allein schon ihre Nomenklatur – H, I und J – deutlich: Für Heilbronn legt die Bundesgartenschau den Grundstein zu einem neuen, ebenso dichten und durchmischten wie durchgrünten Stadtquartier in zentraler Lage am Wasser, das sich bis 2030 über insgesamt 17 Baufelder erstrecken wird. Dann sollen 3.500 Menschen im Quartier „Neckarbogen“ leben und bis zu 1.000 Menschen ihren Arbeitsplatz dort haben. Die 23 Häuser der „Stadtausstellung“ können bereits zur Eröffnung der Bundesgartenschau genutzt und auch bewohnt werden.

Idee und Konzept erscheinen so genial einfach, dass man sich fragt, warum es nicht schon längst üblich ist, Gartenschau und Stadtplanung zu verbinden – und wie trostlos es auf dem Gelände des ehemaligen Fruchtschuppens am Neckarkanal ausgesehen haben muss, dass niemand vorher die Gunst des Areals in bester Innenstadtlage direkt hinter dem Hauptbahnhof erkannt hat. Für seine Revitalisierung stehen insgesamt 145 Millionen Euro zur Verfügung.

Übersichtsplan der BUGA 2019 in Heilbronn.

Vielleicht liegt es daran, dass die im Vergleich zu einer „konventionellen“ Gartenschau exponentiell gestiegene Komplexität der Planungs-, Beteiligungs- und Genehmigungsprozesse im Vorfeld einen deutlich längeren Vorlauf erfordert und alle Beteiligten – Bauherren, Behörden, Berater und Planer – bereit sein müssen, sich darauf einzulassen: Den Zuschlag zur Durchführung der Bundesgartenschau 2019 erhielt Heilbronn 2007, den städtebaulichen Ideenwettbewerb gewannen Steidle & Partner aus München 2008, den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb das Berliner Büro sinai 2011.

Reginald Eckhoff, Architektur 6H: Das Stuttgarter Architektur war verantwortlich für die Tiefgaragenplanung und für ein „Stadthaus am Neckarbogen“ auf dem Baufeld J2.

Neben dem Drittelmix von Stadt, Landschaft und Wasser waren den Auftraggebern ein ausgewogenes Verhältnis von Miet- und Eigentumswohnungen, ein möglichst breites Spektrum der angebotenen Wohnungsgrößen sowie ein adäquater Nutzungs-, Einkommens- und Generationenmix wichtig. Dazu begleiteten die Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH und das Baudezernat der Stadt das Investorenauswahlverfahren von Anfang an und entwickelten einen Qualitätssicherungsprozess, der von der BUGA und einer Baukommission als Expertengremium bis heute moderiert wird. Um sicherzustellen, dass es die Qualität der prämierten Entwürfe am Ende in die Realisierung schafft, erfolgte der Verkauf der Grundstücke zum Festpreis, statt wie bisher im Höchstbieterverfahren. Die Siegerentwürfe stammen unter anderem von Baumschlager Hutter Partners, weinbrenner.single.arabzadeh, Kauffmann Theilig & Partner, Fink + Jocher und Kaden + Lager.

Die städtische Mobilität der Zukunft besteht aus unserer Sicht in der eng aufeinander abgestimmten Vernetzung unterschiedlicher Verkehrssysteme – wie der klassische ÖPNV, Carsharing, (Sammel-)Taxis, Angebote wie die ‚stella‘-E-Roller der Stadtwerke Stuttgart, Leihfahrräder und andere. Der Trend geht dabei zwar eindeutig in Richtung Nutzung statt Besitz von Fahrzeugen, weil für die Akzeptanz des Angebots aber die nahräumliche Verfügbarkeit der Fahrzeuge entscheidend ist, kommt den Anbietern von Parksystemen eine zentrale Bedeutung zu. Bei der Planung für die Stadtausstellung haben uns die Planer von WÖHR Autoparksysteme GmbH umfassend und kompetent beraten. So konnten wir ergebnisoffen testen, welches System für den Standort auf dem BUGA-Gelände und seine spezifischen Anforderungen am besten geeignet war, und die Machbarkeit unserer Planung anschließend noch einmal gegenprüfen lassen.
Reginald Eckhoff, Architektur 6H, Stuttgart

Damit die im Leitbild formulierte „Stadt am Fluss“ entstehen konnte, musste – auch das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesgartenschauen – die von 30.000 Autos pro Tag befahrene Bundesstraße verlegt werden. Im Bereich der ehemaligen Hafenbecken sind zwei neue Seen entstanden.

Das setzte eine enge Abstimmung aller am Bau Beteiligten voraus, die sich über die Freiraumplanung der Büros AG Freiraum (Freiburg), Dupper Landschaftsarchitekten (Bad Friedrichshall), Îlot für Landschaftsarchitektur (München) und Pfrommer + Roeder (Stuttgart) ebenso verständigen mussten wie über das gemeinsame Energiekonzept, die Baustellenlogistik oder den Bau der Tiefgaragen.

Das Stadthaus am Neckarbogen von Architektur 6H.

Weil das Mobilitätskonzept der BUGA neben Shared Space und einem Modalsplit (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel) von 30 % motorisiertem Individualverkehr gegenüber 70 % Fußgänger-, Rad- und öffentlichem Personennahverkehr auch den Verzicht auf oberirdische Parkplätze vorsah, kam der Tiefgarage eine zentrale Bedeutung zu. Die sonst wenig herausfordernde Bauaufgabe war aufgrund des hohen Grundwasserspiegels auf dem ehemaligen Hafenareal anspruchsvoll. Architektur 6H Reginald Eckhoff Freie Architekten BDA hatten die Aufgabe, für das gesamte Quartier insgesamt 230 auf zwei Tiefgaragen verteilte Stellplätze zu planen. Zusätzlich realisierte das Büro das zurückhaltend elegante siebengeschossige „Stadthaus am Neckarbogen“ auf dem Baufeld J2. Es ist als generationenübergreifendes Wohnen mit 17 zum Teil zweiseitig belichteten, bis zu 4,5 Zimmer großen Wohneinheiten und Dienstleistungsflächen im Erdgeschoss konzipiert.

Architektur 6H konzipierten Grundrisse für generationenübergreifendes Wohnen.

Während die 76 Stellplätze der Tiefgarage auf Baufeld H „konventionell“, d. h. eingeschossig und ohne Sprinkleranlage, realisiert werden konnten, war die Anzahl der unterzubringenden Stellplätze auf Baufeld J dafür zu groß. Weil eine zweigeschossige Tiefgarage neben einer zweiten Rampe eine am Neckar sehr aufwändige Wasserhaltung erfordert hätte, entschieden sich Architektur 6H für ein Combilift System. Zur Auftriebssicherung wird die Bodenplatte mit Gewindeankern im Untergrund gehalten.

Geländeschnitt durch das Parksystem von WÖHR auf Baufeld J.

Das eingesetzte System von WÖHR Autoparksysteme GmbH, der Combilift 542 Komforttyp, weist jedem Eigentümer einen persönlichen, waagrecht befahrbaren Stellplatz zu. Dabei wird ein in der unteren Parkebene angewählter Stellplatz angehoben, wenn der Leerplatz in der oberen Ebene über ihm bereitsteht. Die Autos sind sicher hinter Gittertoren untergebracht, die sich erst nach dem abgeschlossenen Verschiebevorgang öffnen lassen – wahlweise über einen RFID-Chip, eine Funkfernbedienung oder per Mobiltelefon mit der von der Firma WÖHR entwickelten Smart-Parking-App. Das System ermöglicht bei geringer Einbauhöhe das Parken auf zwei Ebenen übereinander: Die Grubentiefe beträgt 2,00 Meter, was einer maximalen Fahrzeughöhe von 1,75 Meter auf der unteren und 2,00 Meter auf der oberen Ebene entspricht. Dies ist für Limousinen ebenso ausreichend bemessen wie für Kombis, SUVs und Vans.

Isometrie der Tiefgarage: Die Grundfläche wurde optimal mit der maximalen Stellplatzanzahl realisiert. Die Kombination aus Parklift 405 und Combilift 542 ergab insgesamt 143 Stellplätze.

Die Vorteile gegenüber einer herkömmlichen Duplex-Einheit (Parkliftanlage) liegen neben der größeren Stehhöhe vor allem im deutlich komfortableren Ein- und Aussteigen. Zum horizontalen Verschieben der einzelnen Stellplätze benötigt die obere Ebene allerdings eine „Lücke“, kann also immer nur einen Stellplatz weniger anbieten als die untere Ebene. Mittels einer Universal-Standsäule lässt sich jeder Stellplatz mit einer bauseitigen Ladestation für Elektrofahrzeuge ausrüsten.

Eigens für die Parkgarage entwarfen 6H Architektur ein Farb-Licht-Konzept.

Das von Architektur 6H entwickelte Farbkonzept dient zum einen als Wegeleitsystem der Orientierung und setzt zum anderen in der von den Silber- und Grautönen des feuerverzinkten Stahls und Sichtbetons geprägten Tiefgarage optische Akzente. Genau genommen handelt es sich um ein Farb-Licht-Konzept, denn die Farbflächen spielen immer mit (künstlichem oder natürlichem) Licht zusammen: Während Rot- und Orangetöne die Fluchttreppenhäuser kennzeichnen, markieren Blau- und Grüntöne die drei Lichtschächte, die Tageslicht aus dem begrünten Hof über der Tiefgarage einfallen lassen und so den Bezug der Stellplätze zum Außenraum stärken.

Architekten

Architektur 6H, Stuttgart

www.architektur-6h.de

Von Reginald Eckhoff 1994 mitgegründet, haben Architektur 6H seitdem bundesweit zahlreiche Bauten geplant und realisiert. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf sorgfältig gestalteten qualitätsvollen Wohngebäuden und auf Innenraumgestaltungen. Für ihre Arbeiten wurden Architektur 6H mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Fritz-Höger-Preis 2011 und der Hugo Häring Auszeichnung des BDA 2011. Mit dem 2017 gewonnenen Wettbewerb „Quartier Lange Gasse – Bücherei und Wohnen in der Ortsmitte“ in Bondorf erweitern Architektur 6H das Spektrum ihrer Arbeiten um den Bereich öffentliche Kulturbauten.

Projekte (Auswahl)

2018 Stadtausstellung Haus J2, Bundesgartenschau 2019, Heilbronn
2017 Reihenhäuser, Rutesheim
2015 Generationenwohnen, Korntal
2014 Baugemeinschaften MetroPolis: Haus Lissabon, Haus Mailand, Berlin
2012 Lounge im Siedlungswerk, Stuttgart

Produktinformation

WÖHR Combilift 542-200/220 (rechte Grafik) und Parklift 405-170/165 E (linke Grafik) für 143 Stellplätze

Semiautomatisches Parksystem, Fahrzeuggewicht max. 2,6 t, komfortable Stellplatzbreiten von max. 2,50 m bzw. 2,70 m, Plattformen in Classic-Profil-Ausführung, elektrische Schiebetore mit feuerverzinkter Stahlgitterfüllung, Anwahl des bauseitigen Garagentors, der Combilift-Stellplätze sowie Öffnen und Schließen der elektrischen Schiebetore per WÖHR Smart-Parking-App, Universal-Standsäulen für die Anbringung von bauseitigen Wallboxen zum E-Laden

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